Das Team (von li. n. re.) mit einheimischen Mitarbeitern:

Franziska Klein, OTA; Dr. Maya Amparo Forkel, plastische Chirurgin; Lahai, OP-Pfleger; Dr. Ute Terheggen,Unfallchirurgin-Orthopädin, Teamleitung; Emmanuel Lordbrahams, CHO; Marina Kurth, OP-Schwester;Dr. Ruth Kremers-Lueg, Anästhesistin; Francis, Sterilisationskraft; Birgit Ruh, Anästhesistin; Lumnije Tahiri, Anästhesieschwester; Yussuf, Anästhesiepfleger; Lena Eschbach, OTA; Josef, Reinigungskraft; Hans-Jürgen Arndt, Unfallchirurg-Orthopäde, Teamleitung (Mitte kniend)

Es war der 5. Interplasteinsatz in dem Regierungskrankenhaus in Kenema, im Osten Sierra Leones, diesmal mit einem von Frauen dominierten Team.

Von Brüssel kommend landeten wir am späten Nachmittag des 9. März auf dem Lungi -Airport nahe Freetown nach einem 7-stündigen Flug.

Wir wurden von 2 Fahrern des Governmenthospitals abgeholt, die knapp 30 Gepäck-stücke mit dem gesamten OP-Bedarf für 2 Wochen wurde auf 2 Jeeps verladen und es begann die 6 stündige, nächtliche Fahrt über die 350 km lange Strecke auf dem Highway nach Kenema. Um 1 Uhr morgens kamen wir dann etwas erschöpft in unserer Unterkunft, dem Sierra Hills – Hotel in Kenema an. Wir bezogen unsere Zimmer, zum Glück mit Klimaanlage, die bei der hohen Luftfeuchtigkeit und Temperatur von 28 – 33 Grad auch nötig war.

Am nächsten Morgen wurden wir dann von den beiden Jeeps abgeholt und mit Gepäck zum 2 ½ km entfernten Krankenhaus gebracht, wo wir sehr herzlich von den Mitarbeitern und dem Medical Superintendent Dr. Masuba begrüßt wurden.

Nach einem kurzen Besichtigungsrundgang durch das Krankenhaus begannen wir in der OPD mit dem Screening der Patienten.

Es wurden uns 2 Räume – getrennt für die Chirurgen und Anästhesisten – zur Verfügung gestellt. Der uns betreuende und für uns dolmetschende CHO Emmanuel und Dr. Masuba hatten schon in der vorausgegangenen Wochen ein Prescreening der Patienten durchgeführt. Unser Einsatz war über den regionalen Radiosender angekündigt worden. So sahen wir in 2 Tagen etwa 180 Patienten, von denen wir 69 – in Einzelfällen zu mehrfachen – Operationen planten. Insgesamt 15 Patienten mußten wir wegen fehlender Kapazität auf den nächsten Einsatz vertrösten.

Innerhalb von 1 ½ Tagen konnten die OP-Schwestern zeitgleich die 2 zur Verfügung gestellten OP-Säle einrichten und es konnten die Instrumente und Implantate sterilisiert werden.

Während der 11 Operationstage führten wir insgesamt 89 Operationen durch. Die plastische Chirurgin hatte mehrere, mehrstündige Kontrakturauflösungen bei Verbrennungskontrakturen, Lappendeckungen bei Weichteildefekten und ausgedehnte Wunddebridements mit Spalthautdeckungen im Programm, während die beiden Unfallchirurgen-Orthopäden viele Pseudarthrosen großer Röhrenknochen mit Spongiosaplastiken und Implantaten, frische Frakturen, veraltete Gelenkfrakturen und auch Osteomyelitisfälle versorgten. Relevante Komplikationen gab es erfreulicherweise nicht. Die Mehrzahl der Eingriffe dauerten über 3 Stunden. Patienten kamen z. T. auch aus anderen Provinzen über mehrere 100 km angereist.

Entfernung eines großen Ohrkeloids

Entfernung eines großen, freiliegenden, osteomyelitischen Femursequesters

Behandlung einer Verbrennungskontraktur der linken Hand

Stabilisierung einer Oberarmpseudarthrose mit Spongiosa und Platte

Die Zusammenarbeit des Teams im OP war sehr harmonisch. Im Gegensatz zu früheren Aufenthalten machten die neu installierten Klimageräte die Bedingungen während der Operationen erträglich und die Arbeit nicht so anstrengend.

Ausgesprochen erfreulich war die hervorragende Unterstützung des Teams im OP durch die einheimischen Mitarbeiter. Der OP-Pfleger Lahai sorgte für den Patiententransport von und zu den Stationen für die Operationen und die zahlreichen Verbandswechsel. Er assistierte bei Operationen und bedankte sich nach jedem unserer Eingriffe für die Hilfe für sein Volk. Der Reinigungsdienst sorgte für stets saubere OP-Säle, unsere Bereichskleidung wurde täglich gewaschen. Bis auf einen Tag gab es kaum die früher häufigen Stromausfälle, so daß die Sterilisationen im Wesentlichen ungestört ablaufen konnten.

Besonders eindrücklich waren eine notwendige Oberschenkelamputation bei einem 25 jährigen jungen Mann, der seit 2 ½ Monaten mit einer offenen Kniegelenksfraktur unbehandelt uns im septischen Schock vorgestellt wurde. Dieser Eingriff mußte an unserem 1. OP-Tag vorgenommen werden. Außerdem wurde uns eine subtotale Handamputation nach Kreissägenverletzung gebracht, die wir im Rahmen eines mehrstündigen Eingriffes interdisziplinär rekonstruierten.

Insgesamt war die Arbeit im Krankenhaus sehr befriedigend für unser Team, die Visiten wurden durch den CHO Emmanuel sehr gut strukturiert. Das Krankenhaus hatte 2 Stationen für die von uns operierten Patienten zur Verfügung gestellt, die sich rasch füllten. Die Nachbehandlung nach unserer Abreise wird ebenfalls durch Emmanuel durchgeführt und der Kontakt mit Übermittlung von Fotos und Röntgenbildern via What’sApp aufrechterhalten.

Abends konnten wir uns auf der Dachterasse unseres Hotels erholen. Am freien Sonntag machten wir eine ausgiebige Wanderung durch Kenema und die Vororte, besuchten einen Markt und die Handwerker an den Straßen. Sierra Leone ist weiterhin eines der ärmsten Länder der Erde und die Armut ist überall sichtbar. Die Spuren des Bürgerkriegs und auch der Ebolaepidemie von 2014/16 sind noch spürbar. 2 Tage vor unserer Ankunft wurden die für Sierra Leone immens wichtigen Präsidentschaftswahlen mit sehr hoher Wahlbeteiligung abgehalten, die Stichwahl findet nach unserer Abreise Ende März statt und ist für die Zukunft des Landes von entscheidender Bedeutung.

An unserem letzten OP-Tag verabschiedeten wir uns schweren Herzens von den einheimischen Mitarbeitern und bei unserem Abschiedsessen, zu dem wir Dr. Masuba, Emmanuel und den Krankenhausmanager eingeladen hatten, wurde uns sehr für unseren Einsatz und die Hilfe für die Patienten gedankt. Unser Interplast-Projekt in Kenema soll mit 2 Einsätzen pro Jahr weitergeführt werden. Zugleich wurde der Wunsch geäußert, daß Interplast ein 2. Projekt im östlich, an der liberianischen Grenze gelegenen Kailahun durchführen soll, weil dort ein immenser Bedarf an plastischen aber auch traumatologisch-orthopädischen Operationen bestehe. Hier wollen wir bei den nächsten Einsatz in Kenema vor Ort die Bedingungen kennenlernen.

Am Samstag erfolgte die Rückreise nach Freetown und eine Übernachtung zur Entspannung in einem Hotel. Sonntagmittag brachte uns die Fähre über die Bucht zum Flughafen.

Es war ein erfolgreicher und befriedigender Einsatz für das Team. Unsere Hilfe ist notwendig und sehr gewünscht. Für viele der Teammitglieder wird es sicher nicht der letzte Einsatz in Sierra Leone gewesen sein.

für das Team Hans-Jürgen Arndt